Oberzell (POW) „Ohne Frauen hat Kirche keine Zukunft.“ Davon ist Schwester Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Franziskanerinnen von Oberzell, promovierte Theologin und Mitglied im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern“ des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland, überzeugt: „Die Frauenfrage ist in der katholischen Kirche eine, wenn nicht sogar die Nagelprobe, an der sich ihre Zukunftsfähigkeit entscheiden wird.“ Welche Erfahrungen sie als Frau in der katholischen Kirche gemacht hat, warum sich die bestehenden Strukturen ändern müssen und was sie sich vom Synodalen Weg erhofft, beschreibt Ganz in ihrem Buch „Frauen stören. Und ohne sie hat Kirche keine Zukunft“.
Bundesweit bekannt wurde Ganz, als sie 2019 bei der Mitgliederversammlung der Generaloberinnen in Rom Papst Franziskus bei einer Audienz spontan darum bat, dass man die Frage des Frauendiakonats nicht nur anhand von historischen und dogmatischen Quellen beantworten dürfe. Seine Antwort stieß viele Frauen vor den Kopf: „Wir sind doch katholisch. Wir müssen die Offenbarung respektieren. Aber wenn eine von Ihnen eine andere Kirche gründen will…“ Sie habe das zunächst als schlechten Witz gedeutet, schreibt Ganz. Aber es ist eines von mehreren Beispielen, wie Frauen in der katholischen Kirche von oben herab behandelt werden – ob beabsichtigt oder nicht. „Als (Ordens-)Frau bin ich besonders sensibilisiert für Erfahrungen, die mit Abwertung, Verachtung und Ausgrenzung von Frauen in der von Männern dominierten Kirche zu tun haben.“
Ganz wuchs in Willanzheim auf, einem kleinen Dorf im Landkreis Kitzingen. Die Kirche sei für sie wie ein zweites Zuhause gewesen. Ende der 1980er Jahre habe sie jemanden sagen hören: „Die Erika hat das Zeug für einen Pfarrer!“ Von sich aus wäre sie nie auf diesen Gedanken gekommen: „Ich bin eine Frau. Priester werden nur Männer.“ Damals, als 18-Jährige, habe sie der Satz lediglich irritiert. Doch als sie nach dem Theologiestudium zu den Weihen von Diakonen und Priestern eingeladen wurde, mit denen sie jahrelang dieselben Vorlesungen besucht hatte, „durchzog mich ein Schmerz, der mich bis heute nicht verlassen hat“. Papst Franziskus bescheinige Frauen ein „weibliches Genius“, betone die Notwendigkeit der Reflexion über ihren „spezifischen Platz“ und fordere eine „Theologie der Frau“. „Dabei frage ich mich, was mit dieser theologischen ,Extrawurst‘ gemeint sein soll“, erwidert Ganz in ihrem Buch. Längst habe sich in den verschiedenen Disziplinen der theologischen Wissenschaft, aber auch im Volk Gottes die Erkenntnis durchgesetzt, dass nicht die Zulassung von Frauen zu den kirchlichen Weiheämtern begründungspflichtig sei, sondern das Festhalten an ihrem Ausschluss.
„Die weltweit aufgedeckten Missbrauchsskandale und ihre Vertuschung haben das Weiheamt dermaßen beschädigt, dass die Plausibilität des christlichen Glaubens insgesamt auf dem Spiel steht“, warnt Ganz. Den Synodalen Weg sieht sie als eine Chance. Doch der Prozess könne nur dann eine Erneuerung der Kirche in Deutschland bewirken, wenn es gelinge, offen und vorurteilsfrei in eine konstruktive Auseinandersetzung einzutreten. Die Frauenfrage sei ein zentrales Thema für das Selbstverständnis der Kirche: „An diesem theologischen Ort wird sich entscheiden, ob die Kirche mit ihrer frohmachenden Botschaft durchdringt oder sich lächerlich macht und belanglos wird.“ Denn der Umgang mit Frauen in der Kirche werde von einem Großteil der Menschen in Deutschland nicht mehr verstanden. „Durch das Mitwirken von Frauen in Leitung werden die Strukturen und das Handeln von Kirche nicht automatisch besser, wohl aber kreativer und diverser“, ist Ganz überzeugt.
Eines ihrer liebsten Beispiele für eine aufmüpfige Frau ist Antonia Werr (1813-1868), die Gründerin der Gemeinschaft der Oberzeller Franziskanerinnen. Werr setzte sich für strafentlassene Frauen ein – zu ihrer Zeit ein Novum. „Mit ihrem eigenständigen sozial-pastoralen Handeln störte Antonia Werr“, stellt Ganz fest. Auch Werr habe an den kirchlichen Strukturen gelitten und umfassende Kränkungen durch Kleriker erlebt. Sobald Frauen die Autorität der kirchlichen Hierarchie – „das heißt in der katholischen Kirche immer die Autorität der Männer“ – antasteten, sei es zu Konflikten gekommen. Doch sei es Werr gelungen, ihre Frustration in Gestaltungskraft umzuwandeln, und sie fand Unterstützer, die sie in ihrem Vorhaben ermutigten.
Es rege sich breiter Widerstand an den klerikalen, männerdominierten und männerbündischen Machtstrukturen innerhalb der Kirche, schreibt Ganz gegen Ende ihres Buchs. Ihre Gemeinschaft wünsche sich, dass die Kirche die Zeichen der Zeit nicht nur erkenne, sondern den politischen Willen aufbringe, der Benachteiligung von Frauen in der Kirche „grundsätzlich, mutig, zügig entschieden und dauerhaft“ entgegenzuwirken, indem sie Frauen auf allen Entscheidungsebenen der Kirche sichtbar mache und zu allen Ämtern und Positionen zulasse. „Es wird also Zeit, dass Frauen stören. Es wird Zeit, dass sie aufstehen, statt zu warten, bis man sie gönnerhaft entdeckt. Und es wird höchste Zeit, dass Frauen Stimme und Gehör finden in der Verkündigung, in der Lehre, in der Feier der Sakramente, in allen Diensten und Ämtern und überall, wo Entscheidungen getroffen werden.“
Katharina Ganz: Frauen stören. Und ohne sie hat Kirche keine Zukunft. Echter-Verlag, Würzburg 2021. 200 Seiten, 16,90 Euro. ISBN 978-3-429-05623-0.